Die neue europäische rechtsradikale Welle und das syrische Regime

Es scheint, dass das Thema Syrien einen prominenten Platz in der Agenda der europäischen extremen Rechten einnimmt. Folglich versteht es sich von selbst, dass die Mehrheit unterdessen das Assad-Regime unterstützt.

Die neue europäische rechtsradikale Welle und das syrische Regime
Geschrieben von Hisham Ashkar, geposted am Al-Manshour.org
(Originalpost auf Arabisch nicht mehr erhältlich)
ins Englische übersetzt von Leila Attar und Ubiydah Mobarak
27 April 2014 (original post in English)

Nachrichten von Besuchen faschistischer und rechtsextremer Gruppen in Syrien, die Solidarität mit dem Regime zeigen sollen, tauchen neuerdings auf, insbesondere seit Ausbruch des revolutionären Prozesses im arabischen Raum. Es scheint, dass das Thema Syrien einen prominenten Platz in der Agenda der europäischen extremen Rechten einnimmt. Folglich versteht es sich von selbst, dass die Mehrheit der europäischen extremen Rechten das Assad-Regime unterstützt und sich gegen die Revolution in Syrien positioniert.

The Third Way march, with their Icons in
Marsch des “Dritten Weges”, mit seinen Ikonen in “yes we can”, im Stil von Shepard Fairey!

Vor nahezu zwei Jahrzehnten begannen mehrere rechtsextreme Parteien und Gruppierungen, Beziehungen mit dem syrischen Regime zu knüpfen. Zum Beispiel begann in den neunziger Jahren der Informationsaustausch zwischen Teilen der französischen Rechten und dem syrischen Regime. Danach folgten mehrere Besuche. Am bemerkenswertesten war der Besuch von Frederic Chatillon, Vorsitzender der extremen Studentengruppierung Groupe Union Défense, welcher nun Marine Le Pen, die gegenwärtige Vorsitzende der französischen Partei “Nationale Front” (Front National), sehr nahe steht. Während seines Besuches im Jahre 1994 traf er den damaligen syrischen Verteidigungsminister Mustafa Tlass.

Im ersten Jahrzehnt des jetzigen Jahrhunderts, insbesondere seit 2006, kam es zu immer mehr Besuchen. Die meisten fanden im Libanon statt, der übliche Ort für Treffen zwischen Besuchern und der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei, die ein Verbündeter des syrischen Regimes ist. Frederic Chatillon und Alain Soral sind einige der prominentesten Besucher. Diese Beziehung war nicht auf die offiziellen Besuche und politische Diskussionen beschränkt, sondern dehnte sich zu Geschäftsbeziehungen aus. Das Unternehmen Riwal beispielsweise, das im Besitz von Chatillon steht, gründete das (Sub-) Unternehmen Riwal-Syria, um geschäftliche Beziehungen zwischen syrischen und französischen Unternehmen im Jahr 2009 auszubauen.

Mit Beginn des Aufstandes in Syrien im März 2011 begann die Radikale Rechte, auf unterschiedliche Weise das syrische Regime zu unterstützen. Frederic Chatillon war der Erste, der Assad seine Unterstützung gewährte. Seit den Anfangstagen der Revolution bezichtigte Chatillon all diejenigen, die an den Demonstrationen der Opposition teilnahmen, der Zugehörigkeit zur zionistischen Lobby, die die Destabilisierung Syriens anstrebe. Chatillon ging sogar so weit, im Oktober desselben Jahres eine Demonstration zur Unterstützung Assads zu organisieren. Sein Unternehmen “Riwal” beharrt immer noch auf der Unterstützung für die Website InfoSyrie, die sich für das Assad-Regime einsetzt.

Mit der Zeit wurden rechtsextreme Demonstrationen zur Unterstützung des Regimes in vielen europäischen Städten organisiert, von Rom bis Warschau und Genf. Gleichzeitig wurden mehrere Beistand bekundende Besuche organisiert, darunter insbesondere die “fact-finding mission” im Juni 2013. Verschiedene europäische rechtextreme Persönlichkeiten nahmen an diesem Besuch teil, wie z.B. Nick Griffin “Abgeordneter im House of Commons”, Philip Dewinter “Abgeordneter des flämischen Parlaments in Belgien”. Das Ausmaß an Unterstützung geht teilweise soweit, nach Syrien zu reisen, um an der Seite der Assad-Streitkräfte zu kämpfen, wie die griechische Neonazi-Organisation “Schwarze Lilie” (Mavros Krinos) erklärte. Es fanden auch mehrere Treffen der extremen Rechten statt, in denen es darum ging, die syrische Situation zu erörtern und Wege zur Unterstützung des Assad-Regimes zu finden. Das Bedeutendste war das Boreal Festival, das in Cantù, Italien, am 12. September 2013 im Beisein einer großen Anzahl europäischer Faschisten stattfand. Paradoxerweise begann der Bürgermeister Cantùs, Gastgeber der Veranstaltung, seine Rede mit Worten von Rosa Luxemburg!

Chatillon, Tlass, Dieudonnè. Oh, jene glücklichen Tagen!
Chatillon, Tlass, Dieudonnè. Oh, jene glücklichen Tagen!

Warum unterstützen die extremen Rechten das syrische Regime?

In ihrem umfassenden Artikel ordnet Leila Shrooms diese Unterstützung wie folgt zu:

“Der antiimperialistischen/Anti-Globalisierungs-Stimmung mit einer starken Fokussierung auf Nationalstaaten (sie glauben, dass das Assad-Regime den syrischen Staat gegen den US-Imperialismus schützt), der Islamophobie (sie glauben, dass das Assad-Regime islamische Extremisten bekämpft), dem Antisemitismus (sie glauben, dass das Assad-Regime im Widerstand gegen Israel handelt).”

Was Serge Ayoub angeht, Anführer der seit Sommer 2013 verbotenen rechtsextremen Organisation “Dritter Weg” (Troisieme Voie), so organisierte er am 2. Februar 2013 einen Marsch zu Unterstützung des syrischen Regimes. Der Grund für seine Unterstützung wird in seiner Antwort auf die folgende Frage deutlich: “Warum nehmen syrische Unterstützer des Assad-Regimes an dieser Demonstration teil?” Ayoub antwortet: “Warum sind die Syrer mit uns? Selbstverständlich ist es unsere Pflicht, ihr Anliegen zu unterstützen! Syrien ist eine Nation, ein Vaterland, ein sozialistisches Land mit nationaler Souveränität. Sie kämpfen für Säkularismus und sind dem Angriff des imperialistischen Amerika ausgesetzt, der Globalisierung und ihrer salafistischen Knechte sowie den Söldnern von Katar und Saudi-Arabien. Das Ziel ist, den Staat zu zerstören.”

Wir finden in Ayoubs Erzählperspektive alle von Leila Shrooms dargestellten Motive, mit Ausnahme des Widerstandes gegen Israel. Die extreme Rechte macht keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Israel, wie wir bei Chatillon festgestellt haben. Ayoubs Unterstützer, die sich selbst als französische revolutionäre Nationalisten beschreiben und die die Unterstützung verschiedener faschistischer europäischer Organisationen gewannen, schwenkten bei der Demonstration paradoxerweise die Fotografien von fünf Persönlichkeiten: Bashar al-Assad, daneben der russische Präsident Putin, der belorussische Präsident Lukashenko, der venezolanische Ex-Präsident Chavez und der serbische Nationalist Draža Mihailović. Viele Fahnen wurden hochgehalten, darunter die syrische, französische, russische, venezolanische und die kubanische.

Die Gründe für diese Unterstützung des Regimes, die einerseits die rechtsextremen Organisationen zeigen und andererseits die Organisationen, die sie kritisieren, lassen viele Fragen aufkommen wie zum Beispiel: Warum verbündete sich diese Rechte nicht vor den neunziger Jahren mit Syrien gegen Israel? Warum lehnte sie die syrische Revolution seit ihren Anfängen ab, noch vor dem Aufstieg der bewaffneten extremistischen islamischen Bewegungen? Und was ist die Wahrheit hinter dieser antiimperialistischen, Anti-Globalisierungs-Haltung der Rechten?

Um die Hintergründe und die Logik der rechten Position in Bezug auf das, was aktuell in Syrien geschieht, zu veranschaulichen, müssen wir 25 Jahre zurückgehen in die Zeit, als mit dem Fall der Berliner Mauer eine neue historische Phase begann.

Neudefinition des Feindes: Von der kommunistischen Bedrohung zur Bedrohung durch das amerikanische Modell

In seinem Buch “Die Anatomie des Faschismus” bemerkt Paxton, dass faschistische Bewegungen ständig eines Feindes bedürfen, der die überwältigende Krise symbolisiert, welche die Gesellschaft überrumpelt, und die die Masse dazu drängt, sich unter der Fahne eines erlösenden Führers zu vereinen. Gegen Ende des Kalten Krieges sahen die meisten rechtsextremen Bewegungen in Nordeuropa die Sowjetunion als diesen Symbol-Feind an. Das ging soweit, dass Jean Marie le Pen, Führer der französischen rechtsextremen Partei, der Nationalen Front, behauptete, er trage das Erbe von Winston Churchill, Douglas McArthur und Ronald Regan [1], nicht nur auf politischem Feld, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich. Denn bis Ende der achtziger Jahre glorifizierte und verteidigte die Nationale Front die liberale Wirtschaft.

In diesem Zusammenhang verursachte der Fall des Kommunismus nicht nur eine Krise in der Linken, sondern erreichte darüber hinaus noch die extreme Rechte, die über Nacht ihren Hauptfeind verlor und eine der Grundlagen ihrer Politik. Die von einigen Mitgliedern der Rechten angestellte Neubesinnung führte dazu, sich Ideen von ideologischen Gruppen wie beispielsweise GRECE anzueignen, die in den sechziger Jahren die Theorie des kulturellen Unterschieds entwickelte, der Rassenmischung ablehnt, weil dies eine Gefahr für die Identität der Nationen darstellt. Von jetzt an wurden die Vereinigten Staaten zum Feind – das neue Symbol, aus vielerlei Gründen:

1- Die kulturelle und politische amerikanische Vormachtstellung stellt eine Gefahr für nationale Identitäten dar.
2- Das amerikanische Modell bildet eine Präsenz und Mischung zwischen verschiedenen Rassen und Kulturen ab, ungeachtet des Rassismus und der Ungleichheit, die in diesem Modell verwurzelt sind.

Die Neudefinition des Feindes hat diese rechts-außen Kräfte gezwungen, viele ihrer politischen und ökonomischen Haltungen neu zu überdenken, damit sie mit ihrer neuen ideologischen Position übereinstimmen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die extreme Rechte und die wichtigsten faschistischen Parteien pragmatische Parteien sind, die nicht zögern, ihre Hauptpositionen (insbesondere in Bezug auf die Wirtschaft, weil sie in diesem Bereich nicht festgelegt sind, vielmehr schwanken sie in Abhängigkeit der politischen Variablen)[3] neu zu definieren, um ihr Ziel zu erreichen: Erfolg und Macht.[4] Demzufolge hat diese Rechte die Messlatte ihrer Feindseligkeit gegenüber den USA und der neuen politischen Ordnung, dem wirtschaftlichen Neoliberalismus und der Globalisierung, höher gelegt und knüpfte Beziehungen mit denjenigen, die sie als Feinde dieser politischen Ordnung ansieht. Beispielsweise ist Jean Marie le Pen seit Mitte der siebziger Jahre ein Verbündeter der libanesischen rechtsextremen Phalange-Partei. Bei seinem Besuch in Beirut 2002 bemühte er sich erfolglos, Ayatullah Fadlallah zu treffen, der enge Beziehungen zur Hisbollah hat. Diese Neudefinition des Feindes ist es, was die Annäherung zwischen der Hisbollah und dem syrischen Regime erklärt, die in den Neunzigern scheu begann, um im Laufe der letzten zehn Jahren solider und fester verwurzelt zu werden.

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(Bild) Europäische Delegation zur Unterstützung Assads mit Mitgliedern der extremen Rechten, Zenit, Casa Pound, Stato e Potenza, Fascisti del III Milennio, Partito dei Comunisti Italiani. Wenn Schwarz und Rot miteinander ins Bett gehen.

Die neue extreme Rechte: “Linksgerichtet in ihrer Arbeit, rechtsgerichtet in ihren Werten”!?

Die Wandlung der Rechten aufgrund ihrer Neudefinition des Feindes einerseits und erneute Prioritätensetzung andererseits hat zur Aneignung und Überholung mancher linker Ideen geführt, mit dem Ziel, diese neue intellektuelle Orientierung zu stärken. Wir sehen etwa, dass Marine le Pens Kampagne für die französischen Präsidentschaftswahlen 2012 auf sozialen und ökonomischen Fragen basierte. In einem solchen Ausmaß, dass diese es beinahe versäumte, die Lieblingsthemen der Rechtsradikalen, wie etwa das Migrantenverbot, zu erwähnen. Die rechtsradikale Aneignung mancher linksgerichteter und marxistischer Rhetorik ist nicht neu. Dies ist seit der Entstehung des Faschismus klar, als Mussolini das Proletariat und die Faschisten gleichermaßen mit seinen radikalen, nationalistischen und antikapitalistischen Reden anzusprechen pflegte. Natürlich war dies zum großen Teil ein selektives und manipulatives Manöver, denn der Feind war der ausländische und nicht der nationale Kapitalismus, wobei eines der Ziele dieser Reden die Aussöhnung zwischen den Arbeitern und den nationalistischen Unternehmern war.

In diesem Zusammenhang ist die Berufung der neuen Rechten auf linke Ideen nichts anderes als jener populistische nationale Kommunismus. In anderen Worten, es handelt sich um eine Rückkehr zum klassischen faschistischen Diskurs, wie er sich in den zwanziger Jahren  des letzten Jahrhunderts abspielte, in einer der wichtigsten europäischen kapitalistischen Krisen jener Zeit. Diese Rückkehr wird in der Aneignung des Slogans “Keine Rechte und keine Linke” seitens der Nationalen Front offensichtlich, in einer deutlichen Wiederholung dessen, was der Begründer der faschistischen Spanischen Phalange Partei (Falnge Española de las JONS), Jose Antonio Primo de Rivera, sagte: dass seine Bewegung weder dem rechten noch den linken Flügel angehören würde.

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Jedoch unterscheidet sich die gegenwärtige Rhetorik und Orientierung dieser Rechten in vielen Details von ihrem 80 Jahre alten Vorläufer. Diese Rechte belässt es nicht dabei, sich linke Slogans und Schlagworte anzueignen, sie übernimmt teilweise auch von dieser Ideologie, um es ihrem Erbe anzuheften. Wir sehen Marine le Pen in ihrem Buch “Auf dass Frankreich lebe” (Pour que vive la France)[6], die sich auf Zitate vieler Denker, Politiker, Autoren und anderer Linker beruft, von George Aurel bis zu Bertolt Brecht und sogar Karl Marx. Dabei lobpreist sie die Anfänge dieser Linken, die ihrer Auffassung nach später ihre Prinzipien verraten haben, und beharrt darauf, dass es nun die Nationale Front ist, die diese Ziele verfolgt. Einige rechtsextreme Denker wie Alain Soral sind sogar einen Schritt weiter gegangen – anstatt die Linke und die Rechte abzulehnen, versuchen sie diese zusammenzubringen. Soral, ehemaliges Mitglied der französischen kommunistischen Partei und dann der Nationalen Front, zielt auf ein Bündnis ab zwischen der moralisch Rechten und der wirtschaftlich sozialen Linken, gegen die skrupellose Linke, die die ökonomisch Rechte beglückwünscht. Im Konkreten: in seiner politischen Online-Gruppe Egalité et Reconciliation fügt Soral die Bilder von Che Guevara, Gaddafi, Mahmood Ahmadi Najad, Vladimir Putin und von Jeanne d’Arc, der rechtsextremen französischen Ikone, zusammen. Alain Soral greift das globale politische System an, das von den USA und Israel vertreten wird, und spricht über soziale Gerechtigkeit und die Ausbeutung der sozialen Klassen. Er verurteilt den Imperialismus und fordert eine echte Linke.

Insgesamt schlägt er nichts Neues vor, abgesehen von der Versöhnung zwischen Arbeitern und Unternehmensinhabern, mit voller Betonung der konservativen Prinzipien und Werte, die zur Erlösung der französischen Nation führten.

Soral mag wie ein Entertainer erscheinen, wenn er Wirtschaftstheologie mit  Verschwörungstheorie vermischt, aber seine Internetseite  zieht viele Besucher und Anhänger an, vor allem junge Leute. Die Ideen, für die Leute wie Soral werben, werden auf der Straße umgesetzt, wenn zum Beispiel Mitglieder des “Dritten Weges” Bilder von Personen und Fahnen schwenken, wie oben erwähnt. Dies  könnte manchmal als eine  Kommunikation und Koalition zwischen der Rechten und manchen extrem nationalistischen linken Bewegungen verstanden werden, wie die polnische faschistische Organisation (Falanga), die gerade Verbindungen mit den Maui und den Nationalbolschewisten aufbaut.

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(Bild) Die rechtsextreme italienische Bewegung Casa Pound vereint alles, Rechte, Linke und Nationalismus, in diesem Poster: Vaterland, Sozialismus oder Tod. Ehre für Hugo Chavez.

Dieser  ideologische Wandel, auch wenn er nur an die internen nationalen Interessen gerichtet ist, trägt in seinem Inneren die Unterstützung dieser Rechten für das syrische Regime. Theoretiker wie Soral betrachten Bashar al-Assad als einen, der dem globalen System entgegensteht. Zudem ist das syrische Regime das Beispiel, wenn auch nicht das Ideal, für ihren Slogan „Linksgerichtet in der Arbeit, rechtsgerichtet in den Werten“. Dabei wird betont, dass dieses System nicht auf Europa übertragbar ist, sondern eher geeignet ist für “die politischen Eigenheiten des Nahen Ostens, wo es  wichtig ist, einen starken Führer zu haben, der den ethnisch-konfessionellen Zusammenhalt mit fester Hand kontrolliert, und der in der Regel von allen Klans akzeptiert wird…  Wie es in der Vergangenheit [in Europa] der Fall war”

Die Grenzen des Hasses der extremen Rechte auf den “Ausländer”

Zusätzlich zum Vorwand der “akuten Ausländer-Gefahr” brauchen die rechtsextremen Parteien auch einen internen Feind, der ein Faktor im Untergang der Masse sein kann und der das Erreichen einer umfassenderen und stärkeren Gesellschaft verhindert.[7]  Unter den internen Feinden dieser Rechten ist der “Ausländer”, und in den Augen der Rechtsradikalen sind die zwei wichtigsten „Ausländer“ die Juden und neuerdings  die Muslime. Doch der Antisemitismus dieser Rechten setzt sich nicht immer in Feindseligkeit gegenüber Israel um. Zur Zeit des Kalten Krieges sah die Mehrheit des rechtsextremen Lagers Israel als die Festung des Westens gegenüber der Sowjetunion. Doch diese Annäherung war immer behindert von der Position der Rechtsradikalen in Bezug auf den Holocaust. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Neudefinition des Feindes rückte Israel von der undurchlässigen Festung angesichts der kommunistischen Gefahr zum stärksten Partner des neuen amerikanischen Feindes auf. Diese  Entwicklung war von einem Wandel in der Wahrnehmung mancher rechter Gruppen und deren Annäherung an einige der europäischen Gruppen begleitet, was einige Forscher dem Auftauchen einer neuen Gefahr für die Rechte in Europa zuschreiben, und zwar den Muslimen.

Dieser  Vergleich bleibt irgendwie zu simpel, denn obwohl Islamophobie einen Anreiz für diese Annäherung darstellen kann, erklärt es den radikalen Wandel in der Wahrnehmung der Ausländer durch das rechtsextreme Lager nicht. Wir sehen, dass vor ein paar Jahrzehnten einige der  prominenten Gesichter der extremen Rechten jüdisch oder jüdischer Abstammung waren. Eines der berühmtesten Beispiele ist der Vizepräsident der Nationalen Front und Lebenspartner von Marine Le Pen, Louis Aliot, der jüdisch-algerische Wurzeln hat. Darüberhinaus nominierte die Nationale Front in den französischen Parlamentswahlen 2012 den jüdischen  Michel Toris für einen der Sitze in Paris. Außerdem standen jüdische rechtsextreme Organisationen wie die Jewish Defence League schon immer der extremen Rechten nahe, zuerst dem Bloc Identitaire und dann der Nationalen Front. Wenn wir zurückgehen in die Zeit der frühen zwanziger Jahre, sehen wir, dass in der faschistischen Partei Mussolinis viele Juden waren.[8]  Daher sehen wir, dass  die extreme Rechte gegen den “Ausländer” ankämpft, der an seinen Eigenheiten und Eigenschaften festhält, während sie den “Ausländer” akzeptiert, der die Werte und Prinzipien dieser Rechten übernimmt. Oder in anderen Worten: wer national verschmilzt, entsprechend des faschistischen Wortgebrauchs, wird ein Teil dieser Rechten, in diesem Fall kann der Ausländer Führungspositionen übernehmen wie beispielsweise Serge Ayoub, der libanesischer Abstammung ist. Es wird deshalb nicht überraschend sein, Muslime in den Wahllisten einiger rechtsextremer Parteien in Europa zu finden, und das wird in naher Zukunft  sein.

Das betrifft den internen Ausländer, was aber ist mit dem externen? Mit der instabilen Beziehung zwischen der extremen Rechten und den Juden und Israel und trotz des jüngsten Antagonismus gegenüber Israel versucht ein Teil dieser Rechten wie die Nationale Front gegenwärtig das, was aus wahltaktischen Gründen durchtrennt wurde, wiederherzustellen. In diesem Zusammenhang hat Marine Le Pen der Zeitung  Haaretz 2011 erklärt, dass “die Nationale Front ein konstanter Unterstützer der zionistischen Bewegung und ein konstanter Verteidiger des Existenzrechts Israels“ war.

Doch würden wir uns irren, wenn wir diese Rede als eine bloße Wahlkampagne ansehen würden. Sie muss sorgfältig und ernsthaft  unter die Lupe genommen werden. Das Existenzrecht Israels zu verteidigen heißt nicht unbedingt, Israel zu unterstützen. Die   Unterstützung geht an die zionistische Bewegung, d.h. an eine andere äußerst rechte nationalistische Ideologie, die beschlossen hat, eine Entität außerhalb der europäischen nationalistischen Bewegungen aufzubauen. Während die rechtsextremen Parteien den Ausländern das Recht  verweigern, sich innerhalb ihrer nationalen und geografischen Grenzen aufzuhalten, verweigern sie ihnen nicht das Recht, innerhalb ihrer eigenen geografischen Grenzen zu existieren, solange dies nicht mit ihrem eigenen Bereich kollidiert. Dies erklärt die internationale Kooperation und Kommunikation zwischen rechtsextremen Parteien.

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(Bild) Hisbollah, was für ein Gruppen-Salut ist das!

Dies klärt das ursprüngliche, scheinbare Paradoxon auf. Es gibt keinen Widerspruch in der rechtsextremen Unterstützung des syrischen Regimes und ihrer Feindseligkeit gegenüber den Flüchtlingen in ihren Ländern, selbst wenn sie Pro-Regime sind. Außerdem wird die Feindseligkeit gegenüber dem Islam zu einem zweiten Grund, Assad zu unterstützen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Rechte die Hizbollah unterstützt, ja sich sogar damit rühmt, Seite an Seite mit einer islamischen Partei zu kämpfen, wie die Organisation „Black Lily“ erklärt hat. Man kann auch deutlich die zentrale Rolle der rechtsextremen, mit dem Assad-Regime verbündeten Parteien erkennen, wie sie diese Beziehung gestalten und stärken und was das mit sich bringt. Dies erklärt die regelmäßigen Besuche der europäischen Rechten in Beirut, um Parteien wie die Syrische Soziale Nationalistische Partei zu treffen. Die Rolle ebendieser Partei und ihr Netzwerk mit den europäischen extremen Rechten bedarf einer tieferen Betrachtung, um ein umfassenderes Verständnis der Thematik zu erlangen.

Fazit

Dieser Artikel hat versucht, einen Blick auf die extreme Rechte im Allgemeinen zu werfen, wobei diese Rechte in Wirklichkeit diverse Ideologien hat. Diese Unterschiedlichkeit nimmt je nach Typ und Größe dieser Gruppen verschiedene Formen an, von den größeren, eher pragmatischen Parteien bis hin zu den intellektuellen Kreisen und den radikaleren paramilitärischen Gruppen. Nichtsdestotrotz sind die  generellen Prinzipien die gleichen, und auch wenn die formalen Unterschiede drastisch erscheinen, bleiben dies Einzelerscheinungen und sind nicht wesentlich. Wie wir in diesem Artikel gesehen haben, muss jedwede Interpretation oder Analyse der Position der Rechten berücksichtigen, dass die Ideologie, die diese Rechte verkörpert, ständig im Wandel ist. Eines der wichtigen Werkzeuge für die Analyse und Annährung ist die Grundlage, die Paxton ableitete: die erdrückende Last einer Krise zu fühlen, die nicht auf traditionelle Art und Weise gelöst werden kann, die Priorität der Gruppe gegenüber dem Individuum in Anbetracht der Masse als Opfer und der Angst vor ihrem Untergang. Es gibt einen Bedarf nach einer fester zusammengewachsenen, reineren Gesellschaft etc…

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(Bild) Die radikale Linke sieht wahrlich aus wie die radikale Rechte – wie gut, dass da Hammer und Sichel ist, um uns daran zu erinnern!
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(Bild) Hände weg von Syrien, Liebe zu Assad

Es stellt sich die Frage, warum die extreme Rechte das syrische Regime unterstützt. Der Hauptgrund ist, dass die ideologische Überschneidung zwischen der Rechten und dem, was sie repräsentiert, und was das syrische  Regime repräsentiert, in diesem historischen Moment stattfand. Für die Rechte ist dies einer der Aspekte ihrer Propagandakampagne gegen den Feind – das  neue Symbol. Diese Unterstützung zeigt auch den Unterschied zu den anderen europäischen politischen Parteien und Bewegungen, denen sie vorwirft, ein Spielzeug in der Hand dieses Feindes zu sein. Obwohl die Rechte weiß, dass es aufgrund des schlechten Rufes und der Gewalt des syrischen Regimes nicht möglich ist, diese Unterstützung intern auszunutzen, erlaubt die Entwicklung der Geschehnisse in Syrien es ihr doch, die europäische öffentliche Meinung auszunutzen, indem sie sich zum Beispiel mit der Situation der Christen im Nahen Osten mitfühlend zeigt, oder durch das Thema der europäischen Jihadisten in Syrien. Es bedarf weiterer Untersuchungen, um das  Ausmaß und die Verzweigungen dieser Beziehungen offenzulegen. Und wichtig ist zu sagen, dass einer der Hauptantriebe für all das der Opportunismus ist, der der rechtsextremen Ideologie innewohnt und der nicht zögern wird, jedwede Haltung einzunehmen und alles tun wird, was nötig ist, um ein bisschen näher an die Macht heranzukommen.

Übersetzung durch Antidote

Anmerkungen

[1] Ariane Chebel d’Appolonia, L’Extrême droite  en France. De Maurras à Le Pen, Bruxelles: Editions Complexe et PUF,  1987.
[2] Sylvain Crépon, La nouvelle extrême droite:  Enquête sur les jeunes militants du front National, Paris: L’Harmattan,  2006.
[3] Local examples for this: the rapprochement  of the National Social Syrian Party in Lebanon to the Marxist  propositions in the sixties, after a failed coup on New Year’s Eve 1962.
[4]  Robert Paxton, the Anatomy of Fascism, New York: Knopf, 2004.
[5]  Paxton, 2004
[6]  Marine Le Pen, Pour que vive la Farnce, Paris: Grancher, 2012
[7]  Paxton, 2004
[8] Paxton, 2004

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