Wir sind gekommen, um zu bleiben – Hier, um zu kämpfen
von anonymen AktivistInnen aus Zürich
19. März 2016
Was derzeit in Europa passiert, zeigt, was die Friedensnobelpreisträgerin Europa wirklich ist: ein Gebilde aus kapitalistischen Nationen deren Regierungen Flüchtlinge verfolgen, einsperren und in den Tod treiben. Es ist an der Zeit, die Brutalität der Herrschenden zu erkennen und sie zu bekämpfen.
Die Fluchtursachen sind bekannt, die Heuchelei der Herrschenden auch. Es ist klar, dass wer wirklich für Frieden kämpfen will, den Waffenexporteuren, Kriegsführern und Abschiebern das Handwerk legen muss. Zu lange schon werden Menschen kaputt gemacht, zur Flucht gezwungen und hinterher als störend empfunden und eingemacht. Es werden Waffen exportiert und ganze Erdteile durch Konzerne versklavt – das daraus entstehende Elend wollen die Mächtigen aber nicht im eigenen Garten haben.
In einer solidarischen Gesellschaft stünde das Wohl mittelloser, vor Armut und Zerstörung flüchtender Menschen im Zentrum. Nicht so im Projekt Europa, das fälschlicherweise als Garantin für Frieden gilt. Die Elite Europas ist um ihr eigenes Wohl besorgt und rüstet auf. 22 EU-Staaten beteiligen sich zur Zeit an der Operation Sophia, bei der 1800 Soldaten „Schleusernetzwerke“ bekämpfen sollen. Dies zusätzlich zur berüchtigten Grenzschutzagentur Frontex, welche auch von der Schweiz operativ wie finanziell unterstützt wird. Was anderes als eine offensichtliche Schande ist es, wenn das Militär dazu eingesetzt wird, Grenzen zu schützen, statt die Menschen, die sich vor ihnen befinden?
Es ist an der Zeit zu erkennen, dass am Grenzregime Europas keine der Beteiligten das Wohl der Flüchtenden zum Ziel hat. Die griechische Polizei und das Militär beispielsweise sind darum bemüht, so viele Flüchtlinge wie möglich zurück in die Türkei zu führen. Flüchtende werden aufgespürt, eingekerkert und zurückgeschafft. Dieses Jahr sind 140’000 Flüchtlinge in Griechenland angekommen und es blüht auch ihnen nichts als Elend. Der Verantwortliche der griechischen Küstenwache verlangt derzeit NATO-Boote, um Flüchtlinge übers Meer zurück in die Türkei fahren zu können.
Die EU hat ähnliches im Sinn. Die Türkei hat auf Druck der EU für viele Länder, aus denen Menschen derzeit flüchten, eine Visumspflicht eingeführt, was beispielsweise Afghaninnen und Afghanen auf beschwerlichen Routen über Berge und durch den Schnee zwingt. Die EU ist sich nicht zu schade, mit dem faschistischen Regime Erdogans zusammenzuarbeiten. 6 Milliarden Euro bezahlt Brüssel der Türkei, die damit offiziell für bessere Lebensbedingungen der Flüchtlinge sorgen soll.
Erdogan führt Krieg gegen Kurdinnen und Kurden, unterstützt den IS, richtet ein Massaker nach dem anderen an und lässt abertausende KämpferInnen und Kämpfer foltern und einsperren. Für die EU ist dieser Mann der bevorzugte Partner in Sachen Flüchtlingsbekämpfung. Dem Despoten Erdogan gebührt eigentlich nur Hass, die Mächtigen aber reichen ihm die Hand.
Die mazedonischen Bullen haben die Grenzen geschlossen – wir kennen die Bilder aus Idomeni, wo Flüchtlinge, egal welchen Alters, verprügelt und mit Tränengas bekämpft werden. In Slowenien wird messerscharfer NATO-Stacheldraht ausgerollt. Wer diese Grenze überwinden will, riskiert, zerschnitten darin hängen zu bleiben. Dieser Stacheldraht wurde hochgezogen, seit der EU-Rat und die EU-Kommission die Schengenaussengrenzen – ein mal mehr – „besser schützen“ wollen.
Österreich schliesslich hat eine Obergrenze für Asylanträge eingeführt. Was nach Bürokratie klingt, hat reale Folgen und bedeutet in letzter Konsequenz eben rohe Gewalt gegen Flüchtlinge. Oberst bei der österreichischen Armee, Bürgermeister von Strass-Spielfeld und ÖVP-Mitglied Reinhold Höflechner wurde kürzlich – auf die prügelnden Polizisten in Mazedonien angesprochen. Er kommentierte: „Das österreichische Militär und die Polizei hat dieselbe Vorgangsweise trainiert, die Mazedonien jetzt anwendet. Sollten die Westbalkanländer die Situation nicht unter Kontrolle kriegen, dann würden wir das machen. (…) Es würde dann auch bei uns zu diesen unschönen Szenen kommen, keine Frage. Aber irgend jemand muss die Menschen aufhalten. Wir können nicht zulassen, dass die unkontrolliert, unkoordiniert zu hunderttausenden quer durch Europa ziehen.“ Das, so der Volksparteiler, sei der österreichischen Bevölkerung nicht zumutbar. Dies sagt er zu einer Zeit, in der Anschläge auf Asylheime in ganz Europa, insbesondere in Deutschland auf ein alarmierendes Ausmass angestiegen sind.
Wir sehen: Die Grosskonzerne, Staatsspitzen, Rassisten und Rassistinnen in den Parlamenten und ausserhalb spannen zusammen – das Resultat ist verheerend. Offene Grenzen sind für die Herrschenden unzumutbar geworden, menschenunwürdige Lager scheinen dagegen ganz in Ordnung zu sein. Die Politiker an der Macht, beweisen nichts ausser Unmenschlichkeit. Wir müssen zur Tat schreiten und aufs Ganze gehen.
Wir brauchen eine revolutionäre Perspektive
Krieg, Nationalismus und Faschismus stehen in einem Zusammenhang. Wer Fluchtursachen bekämpfen will und wer eine Gesellschaft will, in der das Wohl aller Menschen und nicht der Profit einer kleinen Oligarchie im Zentrum steht, muss aufs Ganze gehen. Griechenlands Syriza ist der erneute Beweis dafür, dass die bestehenden Strukturen durch Wahlen nicht zu verändern sind. Wer etwas verändern will, muss kaputt machen was kaputt macht und nicht versuchen, die Revolution zu umgehen. Die Barbarei wird nun nämlich nicht von Syriza bekämpft, sondern sie wird nun von Syriza mitgetragen.
Dasselbe gilt für die Sozialdemokratie in der Schweiz. Sie ist in den Institutionen eingenistet und hat innerhalb der Diskussion höchstens die Rolle einer leicht menschlicheren Verteidigerin des Status Quo. Ihre oberste Vertreterin Simonetta Sommaruga ist gerade dabei, ein Ausschaffungsgesetzt umzusetzen, das Rechtsextreme träumen lässt.
Wer jetzt noch versucht, die bestehende Justiz von innen zu verändern, akzeptiert ihren grundsätzlichen Klassencharakter. Denn im Kapitalismus sind die Menschen nicht „vor dem Gesetze gleich“. Ist man reich, kann man sorgenlos in die Schweiz kommen. Bonzen ohne Schweizer Pass bekommen tiefe Steuern angeboten, werden hofiert und sitzen in Villen mit Seeblick. Proletarierinnen und Proletarier ohne Schweizer Pass dagegen, müssen erst einmal ihr Hiersein rechtfertigen. Dann erwartet sie Schikane, Haft oder Ausschaffung.
Wir brauchen die soziale Revolution und dazu braucht es organisierten Widerstand von unten, bei dem Anti-Rassismus auch Anti-Kapitalismus heisst. Wir brauchen keine Volksinitiativen, wir brauchen keine kleinen Reformen und wir brauchen keine Diskussionen über „menschlichere“ Arten von Lagern und Ausschaffungen. Verteidigerinnen und Verteidiger des Status Quo werden um nichts gebeten, sie gehören angegriffen.
Dass Widerstand möglich ist, zeigen die zahlreichen Demos mit der Parole „Stacheldraht zu Altmetall, Bleiberecht überall“oder die Refugees Welcome Demos der Schülerinnen und Schüler bei denen sich ohne zu Fragen die Strasse genommen wurde. Und gerade am Montag konnte in Zürich die Ausschaffung eines elf-Jährigen Kindes und seiner Mutter (beide suizidal) durch besetzen und blockieren der relevanten Institutionen verhindert werden.
Es geht darum, der Aggression und Repression der Herrschenden eine internationale Klassensolidarität entgegenzusetzen und dabei eine revolutionäre Perspektive zu erkämpfen – jenseits von Kapitalismus, Staat & Nation!
Friede den Hütten, Krieg den Palästen,
Feuer und Flamme, den Ausschaffungsknästen!
Featured image: Demonstration in Zürich, “Gekommen um zu Bleiben,” an der diese Rede gehalten wurde